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Ausgangslage und Fragestellung des Versuchs


Raumorientierung

Wer wir sind, wissen wir ohne Zweifel. Die Kontinuität unseres Bewusstseins ist auch über die zeitweise Unterbrechung des wachen Tagesbewusstseins – durch Schlaf oder Ohnmacht – hinweg gesichert. So ist nicht weiter verwunderlich, wenn nach einer Bewusstseinsunterbrechung die zweite Frage lautet: “Wo bin ich?”
Die Antwort auf das “Wer bin ich?” beziehen wir offenkundig mithilfe der Erinnerung aus unserem Bewusstsein, was auf das “Wo bin ich?” keine vergleichbar sichere Lösung weiss. Auf der Suche nach einer Lokalisation im Raum befragen wir unsere Sinne. Hierbei die Orientierung im Raum allein der Seh-Wahrnehmung zuschreiben zu wollen, erscheint jedoch in mehrfacher Hinsicht unzulänglich.
Zum Einen sind Seh-Bilder unzweifelhaft zweidimensional und ermöglichen durch die Seh-Wahrnehmung selbst keine Bestimmung von Verhältnissen für den Raum, in dem sich unsere Bewegungen vollziehen. Erst im Zusammenhang mit anderen Sinneswahrnehmungen erlauben sie Interpretationen von räumlichen Verhältnissen.
Zum Andern muss davon ausgegangen werden, dass noch andere und ins Innere gerichtete Wahrnehmungsorgane – wie sie beispielsweise durch Propriozeption beschrieben sind – ständig und überwiegend ohne bewusste Bemerkung tätig sind (Schmidt & Schaible 1993, 215-220).
Weitere Zweifel an der Verbindlichkeit der Seh-Wahrnehmung für unsere Orientierung im Raum entstehen durch Untersuchungen, in denen Widersprüche im Erkennen des Seh-Raums und des phänomenalen Raums zutage treten (Kienle 1986, 10-19).

Lernen

Was von Ivo Kohler als Umgewöhnung bezeichnet wird, kann als Reorganisation oder ebenso gut als ein erneutes Lernen angesehen werden.
Wie kein anderes Wahrnehmungsorgan lässt sich das Auge von den übrigen Wahrnehmungen isolieren und so ist es naheliegend, durch eine neue Situation die Sehwahrnehmung aus dem Zusammenhang der Wahrnehmungen zu lösen und auch die Zusammenarbeit des Bewusstseins mit der Sehwahrnehmung zumindest partiell zu stören. An den Vorgängen der Neu-Organisation könnten Beobachtungen gemacht werden, die Lernvorgänge im Zusammenwirken der Sinne und des Bewusstseins offenlegen.
In diesem Kontext nimmt auch das Kätzchen-Experiment von Richard Held und Alan Hein einen zentralen Platz ein, in dem die Wahrnehmung der Eigenbewegung von der Seh-Wahrnehmung getrennt wurde. Dieser Versuch und darauf aufbauende Versuche mit Umkehr- und Verzerrungsbrillen belegen einen Zusammenhang zwischen Lernfähigkeit und aktiver Bewegung (Held & Bossom 1958; Held & Hein 1963; Held & Sanford 1963).
In den Störungsversuchen von Ivo Kohler ist für die Reorganisation von Sehen und Bewegen die Greiffehlerphase ohne nähere Angaben von der Umkehrphase abgegrenzt (Kohler 1951, 17-19). Markante Verläufe in verschiedenen Lernkurven beim Erlernen von Sprache, von irregulären Verben und postoperativer Restitution sollten hinsichtlich möglicher Ähnlichkeiten betrachtet werden (Spitzer 2002, 74, 112-113)

Fragestellungen

Kommt es zu einer Bildumkehr?

Georg Stratton (Stratton 1897) erwähnt in seinen Berichten nichts von einer perzeptuellen Inversion und wird von David E. J. Linden (Linden et al. 1999, 1) zum Kronzeugen gegen die Innsbrucker Experimente berufen, die alle von einer Bildumkehr nach einigen Tagen sprechen. Wesentlich ifferenzierter wird diese Frage von Kottenhoff (Kottenhoff 1961, 109 ff) behandelt.


Können verschiedene Lernphasen deutlich abgegrenzt werden?

Die vorliegenden Berichte gehen von einer Anpassung des Verhaltens und der sogenannten motorischen Fertigkeiten aus. Die zeitlichen Beschreibungen differieren stark und lassen keine Rückschlüsse auf eine Phase mit Beginn und Ende zu. Eine deutlichere Eingrenzung der sogenannten "Greiffehlerphase" würde möglicherweise auch Rückschlüsse auf die Art des Lernens zulassen.


Lassen sich Anhaltspunkte für altersbedingtes Lernverhalten finden?

Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Behauptungen über Bildumkehr geraten vermeintliche Randbedingungen zum Umkehrversuch in den Blickpunkt weiterer Untersuchungen. Eine davon könnte unterschiedliches, altersbedingtes Lernverhalten sein. Bedauerlicherweise konnten die Daten über das Alter der Probanden in den verschiedenen Versuchen bislang nicht hinreichend verfügbar gemacht werden.


Was geschieht bei mehrmaligem Tragen der Umkehrbrille?

Ausgehend von einer eintretenden Bildumkehr sollte die Brille nach einer Zeit der Normalisierung der Seh-Verhältnisse erneut getragen werden. Hiervon wurden Aufschlüsse über Anpassung, Lernverhalten und Gedächtnis erwartet. (Es wäre eine verlockende Aussicht, die Anpassungszeit gegen Null zu bewegen.)